Polizeinotruf in dringenden Fällen: 110

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Eröffnung des AMOK-TE Trainingszentrums im LAFP NRW in Selm
Trainingszentrum im LAFP NRW in Selm eröffnet
Polizei in NRW bereitet sich zielgerichtet und intensiv auf terroristische Anschläge vor.
Victor Ocansey, LAFP NRW

Jede Sekunde zählt, um Menschenleben zu retten und weiteren Schaden abzuwenden. Das Warten auf Spezialeinheiten ist keine Option: Bei terroristischen Anschlägen müssen die Einsatzkräfte der Polizei, die sich unmittelbar vor Ort oder in der Nähe befinden, sofort konsequent eingreifen und zielgerichtet handeln. „Die Polizei in NRW bereitet sich sehr zielgerichtet und intensiv auf terroristische Anschläge vor“, bekräftigt der Inspekteur der Polizei NRW Bernd Heinen.

Das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) hat dafür gemeinsam mit Verantwortlichen aus diversen Polizeibehörden die Fortbildungskonzeption Amok-TE erarbeitet und fortgeschrieben, um Interventionsmaßnahmen und Handlungsabläufe zu optimieren und dadurch Handlungssicherheit zu fördern.

Konstant hohe Anschlagsgefahr

Ein terroristischer Anschlag ist ein menschenverachtender Angriff auf alle Bürgerinnen und Bürger, die Demokratie, die Freiheit und die Grundwerte der europäischen Gesellschaft. „Wir sind auch in Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus!", sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger. „Die Gefahr ist nicht mehr abstrakt, sondern durchaus real. Deshalb sind die Sicherheitsbehörden auch in erhöhter Bereitschaft.“ Dennoch kann es keine absolute Sicherheit geben: Die Gefahr eines Terroranschlages in Deutschland ist konstant hoch. Es muss damit gerechnet werden, damit erneut konfrontiert zu werden. „Die Polizei in NRW stellt sich angesichts der erhöhten Gefahr dieser Herausforderung und bereitet sich auf ein solches schwerwiegendes Ereignis gezielt in einsatztaktischer, rechtlicher, ethischer und kommunikativer Hinsicht vor“, verdeutlicht der Inspekteur der Polizei (IdP) NRW, Bernd Heinen und gibt ein klares Ziel vor. „Wir lassen die Polizistinnen und Polizisten mit dieser schwierigen Aufgabe nicht allein, sie werden durch alle Verantwortlichen unterstützt und gestärkt.“

Sofortiges Handeln ist dringend geboten!

Die Erfahrungen aus den zurückliegenden Anschlägen von Paris, Nizza, Hannover, Berlin und London haben deutlich gemacht, dass die Einsatzkräfte der Polizei zu unmittelbarem Handeln gezwungen sind. Daraus leiten sich die neuen Anforderungen an die Beamtinnen und Beamten vor Ort ab. So haben die islamistisch motivierten Terroranschläge eine hohe Dynamik der Täter gezeigt. Die Vorfälle im Januar 2015 auf die Redaktion der Zeitung „Charlie Hebdo“ sowie auf einen jüdischen Supermarkt, die multiplen Anschläge an fünf Orten in Paris im November 2015, das LKW-Attentat auf der Promenade in Nizza und auch die mörderische Lkw-Attacke auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember des vergangenen Jahres sind eingehend analysiert worden. In den meisten Fällen reicht erfahrungsgemäß die Zeit nicht, um auf Spezialkräfte zu warten. Es muss also jede/jeder einzelne Polizeibeamtin/Polizeibeamter auf eine mögliche Intervention vorbereitet werden.


„Eine solche sofortige Polizeiintervention ist gefährlich. Diese verlangt unseren Kolleginnen und Kollegen großes Können, Durchhaltevermögen und Mut ab“, so der IdP der Polizei NRW, Bernd Heinen. „Unser Ziel ist es, Menschenleben zu retten und das sofort! Die Einsatzkräfte müssen dabei bestmöglich geschützt sein. Die Ausrüstung der Polizei wird daher fortlaufend überprüft und angepasst. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es aber nicht.“
Alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Wachdienst und der Bereitschaftspolizei werden in Fortbildungsmaßnahmen auf das taktische Vorgehen bei einem möglichen terroristischen Anschlag geschult und besonders trainiert. Auch in der dreijährigen Ausbildung der Kommissaranwärterinnen und -anwärter ist das Verhalten bei solchen Polizeilagen ein fester Baustein im berufspraktischen Training.
 

Auswirkung auf die Aus- und Fortbildung

Auf was gilt es sich in der Aus- und Fortbildung konkret einzustellen? Die Herausforderungen für das taktische Handeln sind klar: Die Terroristen sind meist schwer bewaffnet und handeln - bei mehreren Tätern - arbeitsteilig und nach einem perfiden Plan. Sie setzen dabei auch Messer und Fahrzeuge vom Pkw bis zum Lkw ein. Das Ziel der Terroristen ist dabei immer die Tötung einer größtmöglichen Anzahl von Menschen. Sie wollen Panik und Angst auslösen, um unsere Gesellschaft in ihren Grundwerten zu erschüttern. Man muss zudem davon ausgehen, dass die Attentäter bei ihrem Vorgehen den eigenen Tod in Kauf nehmen, ja als sogenannte Selbstmordattentäter sogar aus der Preisgabe ihres eigenen Lebens noch eine Motivation ziehen. Oftmals haben die Terroristen eine militärische Ausbildung in Ausbildungscamps, die ihre Anschläge besonders zielgerichtet und rücksichtslos und brutal werden lässt.
Einsatztaktisch richtig und konsequent handeln ist die eine wichtige Seite, aber wie verhält es sich mit der ethischen, menschlichen Komponente? Ein terroristischer Anschlag ist eine polizeiliche Extremsituation, in der individuelle Belastbarkeit und Professionalität ohne jeden Zweifel besonders gefordert sind. Diese Einsatzsituationen, wie zum Beispiel der polizeiliche Schusswaffengebrauch zur Abwehr terroristischer Handlungen, die Konfrontation mit Schwerverletzten, Sterbenden und Toten, das Erleiden eigener, schwerer Verletzungen, der  mögliche Verlust von Kolleginnen und Kollegen am Einsatzort oder die Angst vor eigenem Versagen im Angesicht der Gefahr, können die Polizistinnen und Polizisten in den Grenzbereich ihrer Handlungsfähigkeit führen. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte handeln auch im Rahmen ethischer Grundwerte und ihres Gewissens. Insofern sind ethische Fragestellungen und Antworten ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Konzeption Amok-TE. Aus- und Fortzubildende erhalten entsprechende Orientierungen und damit die Möglichkeit, sich auf diese Extremsituationen auch in diesem Kontext vorzubereiten.
„Wir im LAFP trainieren die Kolleginnen und Kollegen, damit sie für den Ernstfall optimal vorbereitet sind“, bekräftigt Michael Frücht, Direktor des LAFP NRW. „Wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger und unsere eingesetzten Polizistinnen und Polizisten auch aus diesen Extremlagen gesund nach Hause zurückkehren. Das ist unser Auftrag!“
 

Jeder Handgriff muss sitzen

Das fortentwickelte Amok-TE-Konzept baut auf dem Konzept für Amok-Lagen auf, das sich über viele Jahre bewährt hat. Dieses wurde taktisch um die Terrorbekämpfung erweitert. In den damit verbundenen, speziellen, hoch dynamischen Trainings, die unter anderem an den LAFP NRW-Standorten in Schloss Holte-Stukenbrock, Brühl und am Sitz der Behörde in Selm durchgeführt werden, sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre im Umgang mit solchen Anschlägen eingegangen.
Die Umsetzung dieser Fortbildungskonzeption Amok-TE hat mit der Beschulung der rund 450 Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer der Kreispolizeibehörden durch das LAFP NRW bereits im vergangenen Jahr begonnen.
Die Ansprüche an die Qualität der Aus- und Fortbildung bei der NRW-Polizei sind hoch. Im Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen. Insofern bedarf es ebenso adäquater Trainingsörtlichkeiten. Die Amok-TE-Trainings selbst erfolgen stets unter möglichst realistischen Bedingungen. Spezielle Szenarien sind dafür vorbereitet. Zum Beispiel der Einsatz von Farbmarkierungswaffensystemen. Die Polizistinnen und Polizisten sollen während dieses Trainings durchaus „echten“ Stress erfahren, um „in der Lage“ in Sekundenschnelle sicher und professionell reagieren zu können.
 

Neues Trainingszentrum in Betrieb

Um diese komplexen Einsatzsituationen so realistisch wie möglich trainieren zu können, hat IdP Bernd Heinen am 22. März 2017 das multifunktionale Trainingszentrum für Amok-TE-Lagen in Selm im Rahmen einer Feierstunde und mit geladenen Gästen aus dem Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, dem Polizeihauptpersonalrat sowie den Kreispolizeibehörden Dortmund, Recklinghausen, Unna, Coesfeld, Soest und Hamm offiziell eröffnet.
Das circa 55 Fußballfelder große neue Trainingszentrum wird durch das LAFP NRW für die Aus- und Fortbildung genutzt. Darüber hinaus dient es im Rahmen avisierter Kooperationen als erweiterte Trainingsfläche für die Kreispolizeibehörden Dortmund, Soest, Unna und Hagen. Das LAFP-Amok-TE-Trainingszentrum befindet sich auf dem unmittelbar angrenzenden, ehemaligen Bundwehrgelände am Sitz des LAFP NRW in Selm. Es bietet vielseitige Möglichkeiten. Ganz besonders gewinnbringend ist die urbane Umgebung in überdachten, wetterunabhängigen Großraumhallen mit insgesamt rund 8.000 Quadratmetern Bodenfläche (davon eine noch auszubauende Trainingshalle). Insbesondere die weiträumigen Außenbereiche ermöglichen erst ein ganzheitliches Amok-TE-Training. In der Anlage selbst finden sich realitätsnahe sowohl mehrstöckige als auch begehbare Fassaden innerstädtischer Häuser und sogar bewegliche Kulissen. Riesige Ausmaße: Sogar das Trainieren mit ausrangierten Omnibussen und anderen Fahrzeugen ist neben vielen weiteren Varianten in diesem Trainingskomplex möglich. So ist das Erlernen der taktisch richtigen Vorgehensweise kein theoretisches Planspiel und von viel Vorstellungskraft und Improvisation abhängig, sondern Teil handfester Selbsterfahrung in einem realitätsnahen Umfeld.
Ein am Veranstaltungstag mit Gruppenkräften der Wuppertaler Einsatzhundertschaft durchgeführtes Amok-TE-Training unterstrich den hohen Wirkungsgrad einer solchen Trainingsmöglichkeit und machte den zahlreichen Gästen in beeindruckender Weise deutlich, wie wichtig ein realitätsnahes Trainieren u. a. mit verschiedenen Stressoren wie beispielsweise lauten Schrei- und Schussgeräuschen sowie realem Schusswaffen-Handling durch Farbmarkierungsmunition ist.
Ein großer Gewinn für die Aus- und Fortbildung, von dem alle profitieren.
 

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110