Pressevertreterinnen und Pressevertreter machten sich einen Eindruck vom Grenzgang beim LAFP NRW.
„Grenzgang“ und „Muckibude für den Kopf und die Seele“ locken zahlreiche Journalisten zum LAFP NRW nach Selm
Wie können Polizistinnen und Polizisten mit belastenden Situationen umgehen? Das haben sich Pressevertreterinnen und -vertreter zusammen mit Innenminister Herbert Reul beim LAFP NRW angeschaut – denn der Grenzgang und Kraftraum sind nicht das, wonach sie zunächst klingen.
Mario Bartlewski, LAFP NRW

„Heute sehen Sie, mit welchen Herausforderungen die Polizei lebt und wie wir die Kolleginnen und Kollegen so festigen, dass sie damit professionell umgehen“, sagte der Direktor des LAFP NRW Michael Frücht, als er Journalistinnen und Journalisten bei der Vorstellung des Grenzgangs und des Kraftraums beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) in Selm begrüßte.

„Polizistinnen und Polizisten müssen einen ethischen Kompass mitbringen“, sagte Innenminister Herbert Reul. „Doch bei der Polizei gibt es immer wieder Situationen, die es in anderen Berufen nicht gibt, und bei denen das eigene Weltbild ins Wanken geraten kann.“

Plattform für werteorientierte Polizeiarbeit und Polizeiseelsorge

Genau hier setzen der Grenzgang und der Kraftraum des LAFP NRW in Selm an. Sie sind Plattformen für die werteorientierte Polizeiarbeit und die Polizeiseelsorge und sind deutschlandweit einzigartig. „Bei der Polizei NRW sprechen wir über die Belastungen – und der Bedarf ist groß“, sagte der Innenminister. Was das bedeutet, konnten sich die anwesenden Journalistinnen und Journalisten vor Ort anschauen.

Der Grenzgang beschäftigt sich mit dem schmalen Grat zwischen zu recht erwarteter Professionalität und der menschlichen Unvollkommenheit. Sind wir als Gesellschaft wirklich alle gleich, wie steht es um Gewalt und Polizei, wie wirken sich Extremsituationen auf die Beschäftigten aus und wie gehe ich mit dem Thema Tod um? Das sind die Fragen, mit denen sich der Grenzgang beschäftigt.

Entlastung muss die der Belastung übertreffen

In moderierten Führungen können Teilnehmende hier ihre Gedanken, Erfahrungen und Haltungen reflektieren und austauschen. „Das ist sehr wertvoll“, sagte Herbert Reul. Die immer wiederkehrenden Begegnungen mit Sterbenden, Toten oder Gefahren- und Extremsituationen können als starke Belastung wahrgenommen werden. Das realisieren Teilnehmende oft im Grenzgang.

„Bei Belastungen ist es hilfreich zu wissen, was einen bei seiner Aufgabenwahrnehmung stärkt“, sagte der Leitende Polizeidirektor Thomas Kubera, Leiter der Abteilung 3 (Fachbereich für Fortbildung Führung, Management, Technik und E-Government) und Stellvertreter des LAFP-Behördenleiters. Dabei soll das weitere Angebot des LAFP NRW helfen, der Kraftraum – die „Muckibude für den Kopf und die Seele“, wie es Kubera sagt.

Woraus kann ich meine Kraft schöpfen?

„Wir möchten einen Reflexionsprozess anstoßen. In diesem Raum setzen sich die Teilnehmenden mit ihren persönlichen Kraftquellen bewusst auseinander, Ressourcen können aktiviert werden. Durch das Mitteilen der eigenen Kraftquellen werden diese gleichzeitig geteilt. Teilen durch Mitteilen, das ist das Motto des Kraftraums“, erklärte Polizeihauptkommissarin Lil Herholz vom Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge der Polizei NRW die Idee hinter dem Kraftraum. Zusammen mit Polizeirat und ZeBuS-Teildezernatsleiter Stefan Heimbuch führte sie die Teilnehmenden durch die Räume.

Beim Betreten des Raums bemerken die Teilnehmenden zunächst einen Kies-Steinteppich, der für ein neues Gefühl unter den Füßen sorgt, und die Fototapeten an den Wänden. Auf kniehohen Monitorwürfeln laufen zudem Animationen von potenziellen Kraftquellen. Die Beschäftigten der Polizei sollen so die Perspektive wechseln von den kraftzehrenden, belastenden Situationen ihres Arbeitsalltags zu den Dingen, aus denen sie Kraft schöpfen können – beispielsweise ein gutes Team, in dem sie arbeiten, ein glückliches Familienleben, ausgleichende Freizeitgestaltungen usw.

Eindrückliche Erfahrungen

„Über sich selber nachzudenken, fällt auch Polizisten schwer“, sagte Kriminaloberkommissarin Tanja Weber. Sie ist Sachbearbeiterin im Kriminalkommissariat des Landrat Unna und hat sowohl den Grenzgang als auch den Kraftraum besucht. „Es ist erstaunlich, was diese Angebote mit einem machen und wie sie einem helfen – und das sogar nach 25 Jahren bei der Polizei.“

Auch Polizeihauptkommissar Kai Krückemeier, Zugtruppführer in der Bereitschaftspolizei des Polizeipräsidiums Wuppertal, lobt die Erfahrungen, die er dort gemacht hat. „Der Besuch hat mich und mein Team weit nach vorne gebracht und bei den nächsten Einsätzen konnten wir viel besser einschätzen, was auf uns zukommt. Auch psychisch.“

Doch auch nach einem Einsatz können Kraftraum und Grenzgang den Teilnehmenden helfen. So auch bei Polizeihauptkommissar Philip Timmermeister, der im Wach- und Wechseldienst beim Polizeipräsidium Recklinghausen tätig ist: „Mein Team und ich haben mehrere belastende Situationen in kurzer Zeit erlebt, deshalb haben wir dieses Angebot des LAFP wahrgenommen.“ So taten es in der Vergangenheit auch Tausende weitere Beschäftigte der Polizei NRW.

„Wir kümmern und sorgen uns um unsere Beschäftigten“, sagte Herbert Reul. „Wir wollen und fordern Empathie und Anteilnahme, denn es geht darum, Mensch zu bleiben.“ Dazu tragen der Grenzgang und der Kraftraum beim LAFP NRW in Selm ihren ganz wesentlichen Teil bei.

 

 

 

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110