Elena Köster taucht schon seit ihrer Jugend regelmäßig ab. „Ich habe das Tauchen allerdings nicht im glasklaren Meer mit vielen Fischen und bunten Korallen gelernt, sondern in einem See im Sauerland“, erzählt die 25-Jährige. Die Polizeikommissarin, die in Köln lebt, kennt sich also aus mit dunklen, kalten, wenig einladenden Gewässern.
Das ist schon mal keine schlechte Voraussetzung, denn auch in diesem Herbst hat sie einen Großteil ihrer Zeit in solchen nassen Umgebungen verbracht: Elena Köster gehörte zu den sieben Beamtinnen und Beamten aus ganz Nordrhein-Westfalen, die 2024 zur Polizeitaucherin bzw. zum Polizeitaucher ausgebildet wurden.
Diese suchen in Gewässern nach vermissten Menschen und Beweismitteln. Dazu können kleinere Gegenstände wie Messer und andere Tatwaffen, Diebesgut, Kleidungsstücke und Rücksäcke gehören, aber auch Tresore, Fahrräder oder Autos.
Tauch-Azubis müssen Auto aus der Wupper-Talsperre bergen
An diesem sonnigen Oktober-Tag steht im Wasser der Wupper-Talsperre die Bergung eines entwendeten Fahrzeugs auf dem Ausbildungsplan. Köster übernimmt heute den Part der Signalfrau und Leinenführerin, die am Ufer steht und den Tauch-Azubis im Wasser per Signalleine Zeichen gibt, wo sie nach dem Pkw suchen sollen. Sie ist damit eine Art Vermittlerin zwischen denen im Wasser und dem Team an Land. Dreimal ziehen bedeutet zum Beispiel links, viermal ziehen rechts tauchen und tasten.
Auch hier in einem Ortsteil von Remscheid ist die Sicht unter Wasser in bis zu sieben Metern Tiefe nämlich gleich null. „Alle zwei Jahre führen wir diese Ausbildung durch. Normalerweise im Sommer, aber in diesem Jahr kam uns die Europameisterschaft dazwischen. Daher sind wir etwas später im Jahr unterwegs“, erläutert Martin Huneck.
Der 42-Jährige vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW) ist im dortigen Teildezernat 12.1 unter anderem für die Fortbildung des Fachbereichs Technische Einsatzeinheiten“ (TEE) zuständig.
Die drei TEE der Bereitschaftspolizei NRW sind bei den Polizeipräsidien Bochum, Wuppertal und Köln angesiedelt. Sie gliedern sich jeweils in eine Informations- und Kommunikationstechnik-Gruppe, eine Technische Gruppe und eine Wasserwerfer-/ Sonderwagen-Gruppe. Taucherinnen und Taucher gehören genauso dazu wie beispielsweise Bootsführer, Kräfte des Höheninterventionsteams (HIT) oder die Besatzung von Lautsprechertrupps.
Anspruchsvolle Prüfungen für den harten Job unter Wasser
Für einen Job in den drei TEE kann sich im Prinzip jeder Beschäftigte der Polizei NRW bewerben. Voraussetzung: Sie oder er hat die Einführungsfortbildung der Bereitschaftspolizei absolviert. Wen es unter Wasser zieht, der muss darüber hinaus ein Assessment Center durchlaufen und die mentale und physische Tauglichkeit unter Beweis stellen. Sämtliche Prüfungen sind kein Pappenstiel. Was nicht überrascht bei dem harten Job. Jüngere Menschen sind hier natürlich aufgrund ihrer Fitness im Vorteil.
Für den Tauchdienstbereich ist der TEE-Standort Wuppertal im technischen Einsatzdienst der Bereitschaftspolizei NRW verantwortlich. Die Aus- und Fortbildungen werden daher vorwiegend im Bergischen Land durchgeführt. Grob gesagt widmet sich ein Drittel des Grundlagen-Lehrgangs der (Tauch-) Theorie, zwei Drittel finden in Hallenbädern, Seen etc. statt. Rund 20 Polizeitaucherinnen und -taucher, die ihr Können regelmäßig in Schulungen belegen bzw. auffrischen müssen, zählt das Land NRW aktuell.
Hauptkommissar Huneck: „Das LAFP gibt den zentralen Rahmen der Aus- und Fortbildung vor, die Verantwortlichen vor Ort füllen ihn mit Leben.“ Diese Aufgabe übernimmt an diesem Tag im Wupper-Wasser Lehrtaucher Patrick Spieß. Der 51-Jährige taucht schon seit mehr als 30 Jahren, seit 2007 ist er als Polizeitaucher bei der Kreispolizeibehörde Wuppertal tätig. „Wir üben hier einen typischen Sachverhalt: Im Rahmen eines Strafverfahrens werden Beweise gesichert und Personen und Gegenstände geborgen“, beschreibt Spieß diesen Teil des insgesamt neunwöchigen Lehrgangs. Anders ausgedrückt: Hier findet eine klassische kriminaltechnische Untersuchung statt – nur eben unter Wasser.
Vorbereitungen für Übung beginnen schon viele Tage zuvor
Der Aufwand für eine derartige Außenaktion ist enorm: Nicht nur musste das Fahrzeug drei Tage vorher im Wasser versenkt werden. Neben Taucherinnen und Tauchern sowie Lehrerinnen und Lehrern sind zudem viele andere Kräfte vor Ort, die die Übung begleiten: Angehörige des Polizeiärztlichen Dienstes (PÄD) der Polizei NRW, Köche und Taucherrettungssanitäter. Letztere sind speziell geschulte Sanitäter des PÄD.
Martin Huneck: „Früher wurden sie als Teil einer Kooperationspartnerschaft bei der Marine oder der Bundespolizei ausgebildet. Aufgrund des hohen Bedarfs richtet das LAFP NRW aber nun selbst einen entsprechenden Lehrgang aus.“
Das Fahrzeug im Wasser ist mittlerweile geortet und mit einer Boje markiert, ein Seil fixiert es an einem Baum im Uferbereich. Nun werden – wie an Land – Spuren von außen nach innen dokumentiert. Patrick Spieß erklärt: „Mit Foto- und Video-Equipment an den Anzügen können wir beispielsweise Indizien am Lenkradschloss oder an der Handbremse sichern.“
Dabei gilt für die Taucherinnen und Taucher (schon aus Eigennutz) höchste Vorsicht: Jede Berührung des Bodens wirbelt diesen auf – und macht die Arbeit im 13 Grad kalten Wasser noch anstrengender.
Polizeitaucher aus NRW tragen hochwertige Ausrüstung
Je nach Größe und Gewicht der Fundstücke werden zum Bergen Hilfsmittel wie Spanngurte, Hebe-Geschirr und Hebe-Luftkissen verwendet. Den Hebe-Part stemmt diesmal Kai Sacha. Der 36-Jährige soll mithilfe von bereits angebrachten Schlaufen ein großes gelbes Kissen am Auto befestigen. Dieses wird dann vom Polizeiboot aus mit Luft aufgepumpt und verschafft so dem Fahrzeug Auftrieb.
Ein Boot ist im Übrigen immer dabei, denn häufig können die Taucherinnen und Taucher nicht vom Ufer aus auf die Suche gehen. Die Polizeiboote der TEE können die Spezialisten bei Bedarf an nahezu jede Stelle im Gewässer transportieren.
Bei seiner Arbeit trägt Polizeioberkommissar Sacha einen ganz besonderen Helm. Einen Helm, der an die Protagonisten in alten Filmen wie „20.000 Meilen unter dem Meer“ erinnert und bezeugt, dass NRW in Sachen Tauchausstattung in einer Top-Liga spielt. Die funkelnde Kopfbedeckung wird von außen per dickem Schlauch mit Druckluft versorgt.
Auch die Kommunikation funktioniert über eine Leitung, die zuvor gründlich an der Ausrüstung festgeschraubt wurde. „Dieses Sondertauchgerät ist wichtig, weil bei der Bewegung eines Autos zuweilen Öl- und/oder Benzinreste austreten, die die normale Ausrüstung eines Tauchers gefährlich beschädigen können“, betont Kai Sacha, der wie Kollegin Elena Köster schon seit Jahren privat unter Wasser unterwegs ist.
Unter Wasser nach Beweisen zu suchen hat nichts mit Hobby-Tauchen zu tun
Anschließend soll das Fahrzeug mit viel Muskelkraft aller Beteiligten (und der Seilwinde eines Polizeiwagens) eingebracht werden. Leider liegt das Auto zunächst jedoch auf dem Dach, was ein Rad, das aus dem Wasser schaut, frech demonstriert. Doch klassisches „learning by doing“ unter Patrick Spieß Anleitung löst auch dieses Problem.
Die aufwendige Übung an der Wupper-Talsperre, die in der Endphase der Tauchausbildung stattfindet, ist nach rund drei Stunden erfolgreich beendet. „Hobby-Taucher sollten sich nichts vormachen: Es ist ein großer Unterschied, ob man sich unter Wasser Fische anguckt – oder eben auf die Suche nach Beweismitteln geht“, bilanziert Elena Köster. Kai Sacha stimmt zu: „Es ist eine harte Aufgabe, wir wollen etwas bewegen, einen Beitrag zur Aufklärung einer Straftat leisten. Aber es macht auch ungemein Spaß.“